Wien (pts043/30.05.2017/13:45) – Bei etwa 15 Prozent der Kinder verursachen sensorische Integrationsstörungen Entwicklungsauffälligkeiten wie Überaktivität und Unruhe, Ungeschicklichkeit und Desorganisation, Überempfindlichkeiten, Ängste oder Bewegungsfaulheit und Unselbstständigkeit. Speziell qualifizierte Ergotherapeutinnen können Defizite in der Funktion der Körpersinne (Gleichgewichtssinn, Berührungssinn, Kraft- und Bewegungssinn) feststellen.
„Wird eine sensorische Integrationstherapie aufgenommen, so läuft diese sehr spielerisch in einem Raum ab, der wie ein Indoorspielplatz aussieht“, erklärt Mag. Elisabeth Söchting, Ergotherapeutin, Psychologin, SI-Lehrtherapeutin, internationale Instruktorin und Präsidentin der Gesellschaft für Sensorische Integration in Österreich. Die Begründerin der sensorischen Integrationstherapie, Dr. Jean Ayres, selbst sagt, dass gute SI-Therapie wie Spiel aussieht.
Warum Therapie – genügt nicht der Spielplatz?
Für Beobachter stellt sich oft die Frage, ob es nicht ausreiche, dem Kind Gelegenheit zum Spielen auf einem Spielplatz zu geben. Die klare Antwort ist: Nein. Das Kind lernt nur an der Umgebung, wenn es sich damit zweckmäßig auseinandersetzt. Genau das kann aber ein Kind mit einem Gehirn, das Sinnesinformationen nicht gut verarbeitet, nicht ohne Unterstützung. Es sucht sich keine Herausforderungen, an denen es lernen kann, und setzt sich kein Ziel. Denn sein Gehirn kann die vielen Eindrücke nicht ordnen.
Die entscheidende Rolle der Therapeutin ist zunächst, dem Kind zu helfen, sich auszudenken, was es tun möchte (Zielsetzung oder Ideation).
Dann unterstützt sie es, seine Idee umzusetzen und sein Ziel zu erreichen. Der Grundsatz dabei ist: so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig. Erfolgserlebnisse erzeugen das Gefühl von Selbstwirksamkeit und schaffen Selbstvertrauen.
Was ist sensorische Integrationstherapie?
Sensorische Integrationstherapie ist ein weltweit verbreiteter Therapieansatz, der von der kalifornischen Ergotherapeutin Dr. Jean Ayres (1920-1988) aus ihrer wissenschaftlichen Theorie der sensorischen Integration abgeleitet wurde. Er wird für Klienten eingesetzt, die aufgrund von Wahrnehmungsstörungen – sensorischen Integrationsstörungen – Schwierigkeiten in der Alltagsbewältigung haben, z.B. Aufmerksamkeitsstörungen, Ungeschicklichkeit, Schreib- oder Lernprobleme.
Sensorische Integrationstherapie (Ayres Sensory Integration® , ASI®) wird von einem speziell qualifizierten Therapeut durchgeführt, beinhaltet eine umfassende Befunderhebung und Kommunikation mit den Eltern und findet in einem speziell ausgestatteten Therapieraum statt (Parham et al. 2007. Ayres Sensory Integration® Fidelity Measure – ASIFM. American Journal of Occupational Therapy).
Der Therapieprozess zeichnet sich durch den spielerischen, interaktiven, respektvollen Umgang mit dem Kind aus, das seine Aktivitäten selbst wählen und soweit möglich selbst organisieren soll – eben aus eigener innerer Motivation an den Therapieaktivitäten teilnimmt. Weitere Merkmale sind die verstärkten sensorischen Angebote für Gleichgewicht, Berührungssinn und Kraftsinn und die Maximierung von Erfolgserlebnissen. Wie Ayres selbst sagte: „Wenn die Therapeutin ihre Sache gut macht, sieht die Therapie aus wie Spielen.“
Ziele der Behandlung sind eine bessere Organisation der Hirnfunktion, dadurch besser organisiertes Verhalten, das verbesserte Nutzen von Sinnesinformationen und bessere Planung von Bewegungen und Handlungen.
Im Alltag zeigt sich dies im Spielverhalten, der Aufmerksamkeit, der Lernfähigkeit und dem Sozialverhalten des Kindes.
Was ist eine sensorische Integrationsstörung?
Eine sensorische Verarbeitungs- oder Integrationsstörung ist eine Funktionsstörung des Gehirns, die jene Zentren betrifft, die mit der Verarbeitung von Sinnesinformationen zu tun haben. Die Verarbeitungsstörung im Gehirn beeinträchtigt entweder die Empfindlichkeit für Sinnesreize oder die Perzeption (sinnliche Wahrnehmung). Betroffene haben Schwierigkeiten, Sinnesinformationen zu nutzen und angemessen darauf zu reagieren.
Je nach Art der Störung sehen die Symptome anders aus, von sozio-emotionalen Problemen, Ängsten zu Ungeschicklichkeit, Schreib-, Aufmerksamkeits- und Lernproblemen bis zu Autismus. Schätzungen zufolge sind 5 bis 16 Prozent der Kinder davon betroffen (Abnormal white matter microstructure in children with sensory processing disorders. Owen JP1, Marco EJ, Desai S, Fourie E, Harris J, Hill SS, Arnett AB, Mukherjee P, 2013. Neuroimage Clin. Jun 23;2:844-53. doi: 10.1016/j.nicl.2013.06.009. eCollection 2013.)
Ergotherapeuten sprechen dann von störungswertigen Schwächen, wenn die Anpassung an die Umwelt nicht gelingt und es zu Problemen in der Alltagsbewältigung kommt. Wird ein Kind vorgestellt, führen sie zunächst eine detaillierte Befunderhebung mittels Fragebögen, klinischen Beobachtungen und Tests (v.a. SIPT) durch. Können die Alltagsprobleme mit Defiziten in der Verarbeitung von Informationen aus dem Gleichgewichts-, Berührungs- oder Kraftsinn erklärt werden, so empfiehlt die Therapeutin oft, eine Ergotherapie nach dem Ansatz der sensorischen Integrationstherapie auszunehmen.
Checkliste: Auffälligkeiten bei SI-Störungen
A. Auffälligkeiten in der Anamnese 1. Grob- und feinmotorische Störungen frühzeitig in der Entwicklung beobachtet, verzögertes Erreichen von Meilensteinen. 2. Motorische Ungeschicklichkeiten z.B. häufiges Stolpern, Stürze, Unfälle, Ausschütten, unbeabsichtigtes Zerstören von Gegenständen 3. Abneigung z.B. gegen Bewegung, Berührung, Zeichnen, Basteln, Bausteine bauen, Lego spielen 4. Motorik im Vergleich zu Gleichaltrigen auffällig gemäß Beurteilung durch Drittpersonen wie Arzt, Kindergärtnerin, Lehrerin
B. Neurologische Auffälligkeiten (soft signs) 1. Muskeltonus und/oder Körperhaltung auffällig 2. Mitbewegungen vermehrt (z.B. bei Diadochokinese, Hüpfen) 3. Tempo vermindert (z.B. beim Schreiben, Bewegungsaufträge schwierig) 4. Bewegungsqualität auffällig (z.B. undosiert, unharmonisch, überschießend) 5. Gleichgewichtsprobleme (z.B. Einbeinstand, Strichgang, Hüpfen, Sprünge) 6. Koordinationsprobleme (z.B. Hampelmann, Hand-Hand- und Hand-Augenkoordination)
C. Auffälligkeiten der Selbständigkeit 1. Selbstversorgung (z.B. Essen, Trinken, Umgang mit Besteck schwierig) 2. Aus- und Anziehen (z.B. von Kleidern oder Schuhen, Verschlüsse, Sequenz, Reihenfolge schwierig) 3. Körperpflege (z.B. Nase putzen, waschen, duschen, frisieren, schwierig bzw. versetzt das Kind in Aufregung) 4. Spielt kaum selbstständig oder nur alleine, repetitiv, wenig zielgerichtet, nicht altersentsprechend, imitiert nicht 5. Sozialbereich (z.B. Orientierung in u. außer Haus, kleine Aufträge erledigen, Kontakt zu anderen Kinder schwierig) 6. Hantiert ungeschickt (z.B. mit Haushaltsutensilien, Werkzeugen, Stiften)
D. Auffälligkeiten der Feinmotorik 1. Finger- u. Handgelenksbewegungen (z.B. Feingriffe, isolierte Fingerbewegung schwierig) 2. Körperschema (z.B. Rechts-Links-Orientierung, Raumorientierung, Praxie schwach) 3. Präzision (z.B. beim Schneiden mit Schere, Bauen und Konstruieren ungenau)
5. Auffälligkeiten im Verhalten (im Zusammenhang mit einer sensomotorischer Entwicklungsstörung) 1. Leidensdruck (z.B. Selbstvertrauen herabgesetzt, Vermeidungshaltung, klammernd, sozial isoliert) 2. Aufmerksamkeitsstörung (z.B. Schwierigkeiten, zur Ruhe zu kommen, Schlafprobleme, reizoffen und sensitiv für visuelle bzw. auditive Reize bzw. neue Umgebung) 3. Hyper- oder Hypoaktivität 4. Aggressivität, oppositionelles Verhalten 5. Psychosomatische Störungen
Weitere Infos: Europäischer Kongress für Sensorische Integration (ESIC 2017 – European Sensory Integration Congress): https://www.esic2017.eu
Gesellschaft für Sensorische Integration in Österreich (GSIÖ e.V.): https://www.sensorische-integration.org
Pressemappe: http://hennrich-pr.at/upload/editor/Pressemappe_GSIOE_30_05_2017.pdf
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Aussender: Hennrich.PR Ansprechpartner: Daniela Hennrich Tel.: 01 879 99 07 E-Mail: office@hennrich-pr.at Website: www.sensorische-integration.org