Wien (pts022/06.07.2018/14:50) – Bei der Rehabilitation von neuromuskulären Erkrankungen gibt es drei wichtige Grundprinzipien:
1. Körperlich aktiv bleiben
2. Den Krankheitsverlauf antizipieren und reagieren
3. Hilfsmittel aller Art großzügig einsetzten
Beständiges Muskeltraining im Alltag
Mittlerweile ist klar, dass Patientinnen und Patienten mit den verschiedensten neuromuskulären Erkrankungen von einem richtigen Trainingskonzept profitieren. Wichtig ist, jene Muskeln zu trainieren, die noch nicht zu geschwächt sind. Beginnt etwa die Erkrankung an den Füßen, so müssen Becken- und Oberschenkelmuskeln trainiert werden. Das Muskeltraining erfolgt an speziellen Geräten, mit Therabändern, leichten Hanteln oder gegen das Körpergewicht. Es gibt tolle Weiterentwicklungen in der Gerätlandschaft, die z. B. auch bei starker Muskelschwäche ein Gehen und Stehen ermöglichen.
Besonders hilfreich ist es für Patientinnen und Patienten, das Muskeltraining in den Alltag einzubauen, etwa wiederholtes Aufstehen von einem Sessel. Muskeltraining hilft den Betroffenen zudem, Körpergewicht zu reduzieren. Entscheidend ist, sie zu motivieren und ihnen realistische Therapieziele zu setzen. Prinzipiell sind sie aber ihre eigenen Trainer. In Relation zu ihrer Erkrankung ist ihre körperliche Aktivität Hochleistungssport. Sie lernen – wie Spitzensportler, Pianisten oder Sänger – aus ihren Möglichkeiten mit Hilfe der Rehabilitation das Maximum herauszuholen.
Technische Entwicklungen
Die technischen Entwicklungen sind eine große Hilfe für die Betroffenen. Steuerungsmodule für Rollstühle, Sportrollstühle, elektronisch gesteuerte Stehhilfen, Laufbänder mit Gewichtsentlastung, spezielle Autoausstattungen, alle Möglichkeiten der Gerätesteuerung im eigenen Wohnbereich, die gesamte Kommunikationstechnologie – all das unterstützt und erleichtert den Alltag und fördert ein selbstständiges Leben.
Für das Bewegungstraining gibt es neue Becken-Bein-Orthesen, mit denen auch sehr schwache Patienten einige Schritte gehen können. Ebenso werden Exoskelette und Robotics in Rehabilitationszentren eingesetzt, mit denen die Bewegungsabläufe trotz starker Muskelschwäche trainiert werden können.
Keine Scheu vor dem Rollstuhl
Ich ermutige Patientinnen und Patienten, rechtzeitig auf Hilfsmittel wie einen elektrischen Rollstuhl zu setzen. Eitelkeit, Stigmatisierung und Vorurteile dürfen keine Hindernisse sein, wenn es darum geht, die Unabhängigkeit und Selbstständigkeit zu erhalten. Wir müssen den Patienten psychologisch behutsam vermitteln: Bitte organisiere Dir einen Rollstuhl für lange Strecken, z. B. Museumsbesuche oder für den Sport, und sei zu Hause oder für kurze Strecken selbstständig mobil.
Möglichst früh zu Rehabilitations-Spezialisten
Neuromuskuläre Erkrankungen führen zu einer Vielzahl an gesundheitlichen Problemen als direkte oder indirekte Folge der Grunderkrankung. Viele dieser Probleme betreffen den Bewegungsapparat mit z. B. Nacken- und Rückenschmerzen, Bandscheibenvorfällen, Gelenkskontrakturen, Sehnenverkürzungen, geschwollenen Beinen und Muskelkrämpfen. Diese Beschwerden sprechen gut auf physikalische Therapien an wie Wärmeanwendungen, Massage, Lymphdrainage, Reflexbehandlungen und Elektrotherapien. Auch die muskuläre Elektrostimulation hat einen wichtigen Stellenwert bei neuromuskulären Erkrankungen, z. B. nach Verletzungen zur motorischen Reedukation. Wichtig ist, rechtzeitig zu beginnen und die richtige Dosierung durch kompetente Fachärzte oder -ärztinnen festzulegen.
Ein wichtiges Rehabilitationsthema sind Störungen der Sexualität und der Funktion des Urogenitaltraktes. Diese werden immer noch zu selten angesprochen. Hier ist eine enge Zusammenarbeit mit urologischen Fachärzten wichtig und das offene Ansprechen diese Themas. Es kommen u. a. medikamentöse Therapien, mechanische Hilfsmittel und physikalische Maßnahmen wie Biofeedback und Elektrostimulation zum Einsatz.
Die Rehabilitation neuromuskulärer Erkrankungen hat wichtige chirurgische Aspekte. Sieht man zum Beispiel, dass sich die Achillessehne zu verkürzen beginnt, ist rechtzeitig mit einem orthopädischen Spezialzentrum Kontakt aufzunehmen zur Planung einer operativen Korrektur. Auch Operationen an der Wirbelsäule können bei neuromuskulären Erkrankungen notwendig sein. Wichtig ist, das richtige Timing in einem interdisziplinären Setting zu finden.
Rehabilitation – ein Leben lang
Für eine optimale Versorgung sollten Patientinnen und Patienten ihr Leben lang mit stationären und ambulanten Rehabiliationseinrichtungen in Kontakt bleiben können. Im Idealfall gibt es alle zwei Jahre einen Reha-Aufenthalt und dazwischen gibt es Rehabilitationsfachärzte und/oder ambulante Rehabilitationseinrichtung als kompetente Ansprechpartner.
Wichtig ist, dass Patientinnen und Patienten auch ihre eigenen Trainer sind und die Familien gut eingespielt sind in die Betreuung. Oberstes Ziel ist die Teilnahme und Freude am Leben zu gewährleisten. Die Planung rehabilitativer Maßnahmen soll stets unter diesem Aspekt erfolgen.
Die Kostenübernahme kann ein schwieriges Thema sein. Patienten müssen oft um Reha-Aufenthalte oder die Bewilligung für Therapien kämpfen. Dabei ist es wichtig, dass die therapeutischen Maßnahmen regelmäßig durchgeführt werden. Damit ließen sich viele Sekundärprobleme verhindern oder zumindest lindern. Eine fundierte medizinische Begründung durch Rehabilitationsfachärztinnen und -ärzte für die Bewilligungsstellen ist hier immer sehr hilfreich.
(Ende)
Aussender: B&K – Bettschart&Kofler Kommunikationsberatung Ansprechpartner: Mag. Roland Bettschart Tel.: +43-1-319 43 78 E-Mail: bettschart@bkkommunikation.com Website: www.bkkommunikation.com