Wien (pts042/11.02.2020/15:45) – Jährlich sterben in Österreich knapp 4.000 Menschen an Lungenkrebs. Durch die Einführung moderner Medikamente konnten allerdings in den letzten Jahren sowohl die Behandlungsergebnisse als auch die Verträglichkeit deutlich verbessert werden. Durch eine immer genauere Selektion der Patienten gelingt es zunehmend, ihnen eine individuell optimale Therapie anzubieten. Zwar ist Lungenkrebs im Stadium IV nach wie vor nicht heilbar. In manchen Fällen ist es jedoch bereits möglich, eine chronische Erkrankung daraus zu machen und das Leben deutlich zu verlängern.
Im Rahmen des heutigen Pressegesprächs des Krankenhauses Nord – Klinik Floridsdorf: Abteilung für Innere Medizin & Pneumologie informierten Experten, welche modernen Therapieoptionen in Abhängigkeit von Typ und Stadium der Erkrankung die besten Erfolge versprechen.
Fortschritte in Früherkennung und Diagnose
„Die möglichst frühe Detektion von Lungenkrebs stellt eine wichtige Voraussetzung dafür dar, die Prognose der Betroffenen weiter verbessern zu können“, betont Prim. Priv.-Doz. Dr. Arschang Valipour , Vorstand der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie, Krankenhaus Nord-Klinik Floridsdorf. Potenziell geeignete Verfahren für ein Screening von Risikogruppen wie Niedrig-Dosis-Computertomographie (low-dose-CT), Atemgas-Analyse mittels elektronischer Nase oder der Nachweis im Blut zirkulierender Tumorzellen oder zirkulierender Tumor-DNA befinden sich derzeit im Forschungsstadium.
Einen großen Schritt weiter ist die Medizin in der Diagnostik von Patienten, bei denen im Rahmen einer CT-Untersuchung bereits ein auffälliger Herd in der Lunge entdeckt wurde – sei es als Zufallsbefund oder im Rahmen einer CT bei Risikopersonen mit Tumorverdacht. Bereits in der klinischen Routine verfügbar sind für diese Fälle innovative Techniken, mit denen es möglich ist, den verdächtigen, oft sehr kleinen Herd genau zu lokalisieren und anzusteuern, um Gewebeproben zu entnehmen. Es handelt sich dabei in erster Linie um die sogenannte elektromagnetische Navigationsbronchoskopie sowie die endobronchiale Ultraschalluntersuchung. Durch eine Kombination beider Verfahren erreicht die diagnostische Trefferquote mittlerweile 70 bis 80 Prozent. Insgesamt können damit eine höhere Sicherheit sowie eine frühere Detektion und Behandlung von Krebs im Frühstadium realisiert werden. „Zusätzlich können vielen Patienten Folgeuntersuchungen und/oder invasivere Methoden erspart werden“, ergänzt Prim. Valipour.
Moderne medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten
„Durch eine immer genauere Selektion der Patienten gelingt es zunehmend, ihnen eine individuell optimale Therapie anzubieten“, berichtet OA Dr. Maximilian J. Hochmair , Leiter der onkologischen Tagesambulanz/Tagesklinik, Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie Krankenhaus Nord-Klinik Floridsdorf. Die Auswahl der Therapie richtet sich nach unterschiedlichen Kriterien. Ein zentraler Aspekt ist die Untersuchung des Tumorgewebes mittels Biomarkern. Dabei handelt es sich um bestimmte Strukturen im Tumor – Rezeptoren oder Mutationen im Tumorerbgut -, die Rückschlüsse darauf erlauben, mit welcher Substanz im individuellen Fall die beste Wirkung zu erwarten ist. Auf dieser Basis wird entschieden, ob eine zielgerichtete Therapie in Tablettenform indiziert ist (bei etwa einem Drittel der Patienten) oder ob eine Immuntherapie mit oder ohne Chemotherapie zum Einsatz kommen soll.
Zielgerichtete Therapie:
Bei den zielgerichteten Therapien handelt es sich um sogenannte Tyrosinkinaseinhibitoren (TKIs), die intrazellulär an einem bestimmten Rezeptor ansetzen. Mittlerweile sind in Österreich zielgerichtete Therapien für zehn verschiedene Rezeptoren, die bei der Entstehung von nichtkleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) – mit 80 Prozent Anteil die Hauptform von Lungenkrebs – eine zentrale Rolle spielen, erhältlich. Die Behandlung erfolgt zu Hause, der Patient kann z.B. auch reisen. Darüber hinaus kann bei Betroffenen durch eine einfache Blutabnahme zirkulierende Tumor-DNA nachgewiesen werden. Dadurch ist es möglich, ein Wiederaufflammen der Erkrankung frühzeitig zu erkennen.
Durch die zielgerichtete Therapie kommt es bei 90 bis 95 Prozent der Patienten zu hohen Ansprechraten und langer Therapiedauer. Durch den sequenziellen Wechsel auf andere TKIs kann das Gesamtüberleben zusätzlich verlängert werden. Derzeit leben bereits 15 Prozent der Patienten noch nach fünf Jahren.
Immuntherapie:
Ein weiterer innovativer Ansatz bei fortgeschrittenem Lungenkarzinom ist die Immuntherapie mittels sogenannter Checkpoint-Inhibitoren. Damit wird versucht, das zuvor geschwächte körpereigene Immunsystem zu reaktivieren bzw. dem Tumor seine Art Tarnkappe zu nehmen, damit er vom Immunsystem als schädlich erkannt und bekämpft werden kann.
Als entscheidendes Kriterium wird im Vorfeld der sogenannte PD-L1-Status bestimmt. Bei PD-L1-Expression von mindestens 50 Prozent – dies betrifft etwa ein Drittel der Patienten – kann eine Monotherapie mit einem Checkpoint-Inhibitor in der Erstlinie deutliche Erfolge erzielen. Bei PD-L1-Expression unter 50 Prozent wird Immuntherapie mit Chemotherapie kombiniert. Unterschieden wird auch zwischen sogenannten „kalten“ und „heißen“ Tumoren. Kalte Tumoren sprechen nicht auf Immuntherapie an. Hier wird versucht, mittels Strahlen- oder Chemotherapie den Tumor heiß zu machen, damit er anschließend auf Immuntherapie ansprechen kann. „Bei richtiger Detektion und Behandlung können mit dieser Strategie bereits 5-Jahres-Überlebensraten von 25 Prozent erzielt werden“, so Dr. Hochmair.
Chirurgische Verfahren zur Lungenkrebsbehandlung:
Klassisch wird Lungenkrebs in vier Stadien unterteilt, die früher im Wesentlichen nach einem Stufenschema behandelt wurden:
* Stadium I (Frühstadium) – kein Befall der Lymphknoten. Therapie: ausschließlich Operation * Stadium II – Befall der N1-Lymphknoten. Therapie: erst Operation, dann Chemotherapie * Stadium III – teilweise fortgeschrittenen lokalen Tumor mit mediastinalem Lymphknotenbefall (Stadium IIIa auf der vom Primärtumor betroffenen Seite, Stadium IIIb auch kontralateral). Therapie – erst Chemotherapie, dann Operation * Stadium IV – Vorliegen von Metastasen metastasierte. Therapie: nur Chemotherapie, Operation lediglich in Ausnahmefällen (meist inoperabel)
„Dieser stadienadaptierte Therapieansatz unterliegt seit Einführung innovativer Medikamente einem Wandel, insbesondere was die chirurgische Behandlung bei fortgeschrittener Erkrankung betrifft“, erklärt Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Rolf Müller , Leiter der Abteilung für Thoraxchirurgie im Krankenhaus Nord-Klinik Floridsdorf.
Viele Patienten sprechen auf die neuen Substanzen so exzellent an, dass eine komplette Remission (CR) erzielt wird – d.h. in bildgebenden Verfahren ist kein Tumor mehr erkennbar. Diese früher als inoperabel klassifizierten Patienten werden heutzutage häufig sehr wohl operiert. Dabei werden in Narbengewebe umgewandeltes ehemaliges Tumorgewebe sowie Lymphknoten entfernt und auf das Vorhandensein von Resttumor untersucht. Ohne entsprechende chirurgische oder strahlentherapeutische Maßnahmen können verbleibende Zellen wieder zu wachsen beginnen.
Wie hoch dieses Risiko tatsächlich ist, lässt sich aus heutiger Sicht noch nicht beurteilen. Von der – aufgrund veränderter anatomischer Gegebenheiten im Krebsareal technisch häufig sehr herausfordernden – chirurgischen Entfernung vorbehandelter Tumoren werden für die Zukunft wertvolle Erkenntnisse über Aspekte wie weiteren Verlauf oder individuell optimale Nachbehandlung erwartet.
Minimalinvasive Chirurgie:
In der chirurgischen Behandlung haben sich neue, minimalinvasive Behandlungsformen (v.a. VATS-Lobektomie und VAMLA-Methode) etabliert. Dadurch konnte die Angst vor großen Operationen weitgehend verdrängt werden. Heute dauert ein Klinikaufenthalt zur Entfernung von Lungenkrebs weniger als eine Woche.
„Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer strategischen Kombination konservativer und chirurgischer Maßnahmen auf Basis der jeweils neuesten Erkenntnisse“, resümiert Prim. Müller.
Ermutigender Fallbericht
Welch enorme Erfolge mit den neuen Therapien möglich sein, zeigt u.a. die Geschichte von Robert Schüller .
Bei dem burgenländischen Installateur wurde im Jahr 2008, kurz nach seinem 50. Geburtstag die Diagnose Lungenkrebs gestellt, und zwar eine besonders schwer behandelbare Krebsform, ein sogenanntes nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom (ALK+, NSCLC). Die Ärzte gaben dem Patienten eine Überlebenschance von maximal zwei Jahren – mittlerweile lebt er seit mehr als elf Jahren mit der Krankheit.
In den ersten Jahren erhielt Herr Schüller Chemotherapie (insgesamt 60 Sitzungen), zunächst stationär, dann ambulant. Dafür musste er jedes Mal nach Wien reisen und sich für viele Stunden an die Infusion hängen lassen. Mit der Zeit traten Komplikationen auf, v.a. Atemnot durch eine Anreicherung von Wasser in der Lunge sowie starker Gewichtsverlust mit zunehmender Schwäche. Die Ärzte sahen nur noch wenig Chancen für ihn.
In dieser hoffnungslos erscheinenden Phase wurde er von seinem behandelnden Arzt, Dr. Maximilian Hochmair, auf eine neue zielgerichtete Therapie in Tablettenform, einen Tyrosinkinaseinhibitor, umgestellt. Der Patient zeigte ein gutes Ansprechen und litt unter keinerlei Nebenwirkungen. Im weiteren Verlauf wurde er auf eine andere zielgerichtete Substanz umgestellt. Mittlerweile hat Herr Schüller einen stabilen Zustand und eine gute Lebensqualität erreicht, er fühlt sich fit, seine Blut- und Leberwerte haben sich normalisiert. Die halbjährlichen Computertomographie-Kontrollen zeigen, dass der Tumor nicht streut und die beiden Metastasen nicht wachsen.
Weitere Informationen: Presseunterlagen zum Download: https://hpr.itshare.at/index.php/s/PDNjDEZt6EjC7iD
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